Gesichte vom König und vom Heiligen



Die Geschichte vom König und vom Heiligen


Es lebte einmal ein König, der Besuch von einem umherwandernden Heiligen erhielt.

Um seinen Respekt zu zeigen, ließ der König dem Heiligen die teuersten Speisen und Getränke vorsetzen. Man nahm ihm seine Bettelschale und seinen Wanderstab ab

und schenkte ihm neue seidene Gewänder. Man  gab ihm ein Federbett und unzählige Diener,

die sich um sein Wohlergehen kümmerten.


Eines Tages versammelte der König seinen Hof zu einem Bankett und verkündete,

er wolle den Heiligen zu seinem ersten Minister machen.


"Das kann ich nicht annehmen", sagte der heilige Mann.


"Warum nicht?", fragt der König, "du wirst nach mir der mächtigste Mann im ganzen Königreich sein."


Der Heilige erwiderte: "Aber ich bin doch schon jetzt mächtiger als ihr!"


Bei dieser Unverschämtheit zischten die Hofschranzen wie Schlangen.


"Ich wollte eure Hoheit nicht beleidigen", fuhr der Heilige fort.

"Als Zeichen, wie sehr mich euer Angebot rührt, werde ich euch gern meine ganze Macht geben. Folgt mir."


Der Heilige erhob sich und verlangte seine Bettelschale und seinen Stab.

Ohne ein weiteres Wort verließ er den Hof.


Der König wusste nicht so recht, ob er wütend oder eher neugierig war,

aber schließlich siegt seine Neugier.


Er legte Reisekleidung an und folgte dem Heiligen zu Fuß.


Es war ein schöner Morgen, und der König genoss die Reise, die andauerte bis die Nacht hereinbracht. Die beiden müden Reisenden schliefen unter dem Vollmond am Flussufer und erwachten wieder in der Dämmerung.


"Müssen wir noch sehr weit gehen?", fragte der König ein wenig unruhig?

Er war müde und in der Nacht hatte er an seine Feinde am Hof denken müssen.

Der Heilige sagte nichts, sondern wanderte weiter. So reisten sie noch zwei Tage.

Am dritten Tag erreichten sie die Grenzen des Reiches.


"Bleib stehen", rief der König, "hier muss ich umkehren!"


"Warum?" fragte der Heilig, "was ich dir zeigen will, ist nur noch einen Schritt entfernt!"


Der König entgegnete: " Ich darf nicht weiter gehen, wenn ich die Grenze überschreite, werden meine Feinde den Thron an sich reißen."


Der Heilige nickte: " Ich habe Euch schon gesagt, dass ich Macht habe, von der Ihr nur träumen könnt, und hier ist sie :


Ich kann dieses Königreich verlassen und Ihr, der Herrscher, könnt das nicht. Wenn ihr meine Macht wollt, dann müsst ihr mir einfach folgen."


Doch das tat der König nicht.


Lächelnd überschritt der Heilige die Grenze, ein freier Geist.


Der niedergeschlagene König kehrte in seinen Palast zurück.


Wenn du Lust hast meditiere noch ein bisschen über diese Geschichte und stell dir dabei die Fragen:


"Welche innere Grenze müsste der König überschreiten, um dem Heiligen zu folgen?"


"Wärst du bereit dem Heiligen in die Freiheit zu folgen?"






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